Nachdem die Türkei bereits mehrfach völkerrechtswidrig in Nordsyrien eingefallen ist, eroberten SNA-Milizen Anfang Dezember 2024 die Stadt Tall Rifaat nördlich von Aleppo sowie die Stadt Manbidsch westlich des Euphrats. Beide arabisch dominierten Gebiete gehörten seit der Befreiung vom IS zur Selbstverwaltung. Seitdem bildet der Euphrat die Front zwischen SNA und der Selbstverwaltung. Trotz eines von den USA vermittelten Waffenstillstandes, kommt es nahezu täglich zu Angriffen der SNA. Ein Angriffsversuch auf die Stadt Kobanê, die nur rund 30 Kilometer von der Front entfernt liegt, konnte bislang abgewehrt werden. Kobanê wurde 2014/15 zum weltweiten Symbol im Kampf gegen den IS.
Die humanitären Folgen der SNA-Angriffe sind verheerend. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass es nach den Kämpfen um Manbidsch zu schweren Menschenrechtsverletzungen durch die einrückenden Truppen gekommen sei. SNA-Milizionäre sollen verwundete Kämpfer der Selbstverwaltung in einem Krankenhaus hingerichtet haben. Drei Mitarbeiterinnen der Organisation Zenobiya, die sich für die Rechte und Belange arabischer Frauen in Nord- und Ostsyrien einsetzen, wurden getötet. Zudem soll es zu Plünderungen gegen die kurdische Bevölkerung in der multiethnischen Stadt gekommen sein.
Erneute Vertreibung und Notlage
Zudem mussten zahlreiche Menschen aus jenen Gebieten fliehen, die von den Islamisten besetzt wurden. Laut Angaben der Hilfsorganisationen medico international und des Kurdischen Roten Halbmonds wurden über 120.000 Menschen aus der Region um Aleppo und Tall Rifaat vertrieben. Die aus dem kurdischen Kanton Afrin Geflohenen hatten dort seit 2018 in informellen Siedlungen und Flüchtlingslagern gelebt. Nun müssen sie erneut fliehen, es gibt Berichte über Folter und Tötungen.
Seit Dezember leben die Menschen auf dem Gebiet der Selbstverwaltung östlich des Euphrats; in den Städten Tabqa und Raqqa wurden erste Anlaufstellen errichtet. Die Bedingungen sind indes verheerend, es mangelt an allem: Medikamente, Nahrung, Zelte, sauberes Wasser, Strom. Mehrere Kinder starben bereits an Unterkühlung. Auch die hygienischen Bedingungen sind schlecht, Krankheiten breiten sich aus. Stromnetze und Kraftwerke sind durch häufigen Drohnenbeschuss teilweise zerstört. Stattdessen werden laute und luftverschmutzende Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung genutzt.
Vor diesem Hintergrund hat die Unterstützung der Menschen vor Ort oberste Priorität. Neben der unmittelbaren Notversorgung, die von Hilfsorganisationen bereits geleistet wird, halten auch wir als Kampagne „Solardarity. Neue Energie für Rojava“ an unserem Ziel fest. Mit einer Million Euro an Spenden möchten wir einen Beitrag für eine dauerhafte und resiliente Stromversorgung in Nord- und Ostsyrien leisten. Denn Strom gehört zu den Grundbedürfnisse und ermöglicht wiederum den Aufbau weiterer Infrastruktur, z.B. elektrisch betriebene Trinkwasserbrunnen.