Türkische Angriffe

Obwohl die Menschen von Nord- und Ostsyrien die Türkei nie angegriffen haben, führt Ankara einen unerbittlichen Krieg gegen die Selbstverwaltung. Artilleriebeschuss lässt den Menschen keine Ruhe. Drohnen töten ohne Warnung aus der Luft. Bomben fallen auf Kraftwerke, auf Schulen und Krankenhäuser, um die Menschen in die Flucht zu treiben. Zahlreiche Regionen Nordsyriens sind besetzt und der Gewaltherrschaft protürkischer Islamisten ausgesetzt.

Seit Jahrzehnten geht die Türkei gegen die kurdische Bevölkerung vor. Ankara betrachtet deren Autonomie als Gefahr. Doch nicht nur innerhalb des Landes geht der türkische Staat gegen Kurdinnen und Kurden vor. Auch in Nord- und Ostsyrien töten türkische Drohnen- und Luftangriffe immer wieder kurdische, arabische, jedidische und christliche Menschen. 2023 haben türkische Luftschläge die zivile Infrastruktur und weite Teile der Energieversorgung zerstört, so dass Hunderttausende ohne Strom und Möglichkeiten zum Heizen oder Kochen sind. Dabei erhält das NATO-Mitglied Türkei Unterstützung durch das westliche Militärbündnis. Rüstungsexporte aus Deutschland, Frankreich, Schweden, Spanien, Dänemark, aber auch die Zusammenarbeit mit dem europäischen Rüstungskonzern Airbus verdeutlichen dies. Deutsche und europäische Technologie steckt in den tödlichen Drohnen der Türkei.
In bislang insgesamt drei Bodenoffensiven hat die türkische Armee in den letzten Jahren bereits große Teile Nordsyriens besetzt. Ein erneuter Einmarsch ist – gerade da die Welt durch den Ukrainekrieg und den Konflikt in Israel und Palästina abgelenkt ist – nicht ausgeschlossen. Erdogan hatte wiederholt erklärt, Nordsyrien von „Terroristen“ zu „säubern“. Für Ankara gilt diese Bezeichnung für die gesamte Selbstverwaltung. Sie soll einer von der Türkei kontrollierten „Schutzzone“ an der türkisch-syrischen Grenze weichen.
Was dies konkret für die Menschen vor Ort bedeutet, zeigt sich im türkisch besetzten Afrin. Lebten vor dem Einmarsch in der Region über 90 Prozent Kurdinnen und Kurden, sind es gegenwärtig nur noch 22 Prozent. Protürkischen Islamisten plündern, entführen, morden und vergewaltigen nahzu komplett straffrei. Der Krieg der Türkei in Nord- und Ostsyrien ist somit ein Krieg gegen die dort lebenden Menschen. Aber er ist auch ein Krieg gegen eine politische Idee. Die Selbstverwaltung als demokratische Alternative zu Patriarchat und Nationalstaat soll vernichtet werden.

Weiterlesen:
3 Literaturtips

– Human Rights Watch: Syrien: Übergriffe und Straflosigkeit in den von der Türkei besetzten Gebieten, 2024.

https://www.hrw.org/de/news/2024/03/01/syrien-uebergriffe-und-straflosigkeit-den-von-der-tuerkei-besetzten-gebieten